Wir, die Krone der Schöpfung. Wir, das Beste, das der Erde passieren konnte. Das Beste, das Gott schaffen konnte.
Um meine Sichtweise zu diesem Thema zu erklären, muss ich ganz woanders beginnen. Da, wo alles angefangen hat. Und das ist für mich nicht eine schlaflose Woche eines Herrn Gott, sondern ein ziemlich dumpfer Knall, auch „Urknall“ genannt. Aus diesem Urknall entstand ein sich inflationär aufblasendes Universum, das neben vielen anderen Dingen auch den Stoff beinhaltete, aus dem wir geschaffen sind: Materie. Ich möchte hier nicht die gesamte Erdgeschichte rekonstruieren. Mir ist nur eines wichtig: Viele physikalische Vorgänge haben unter dem Einfluss günstiger Umstände, Zufälle und vor allem sehr viel Zeit dazu geführt, dass Leben auf der Erde entstehen konnte. Und dann brauchte dieser Materienhaufen namens Erde noch einmal etwa 4 Milliarden Jahre, damit sich Leben so weit entwickeln konnte, dass ich diese Zeilen schreiben kann. Die Evolution hat an einem ihrer zahlreichen Lebensäste zu uns geführt. Neben uns gibt es zahlreiche andere Lebensformen, Organismen und – manch einer möchte es bezweifeln – Intelligenz. Mit den meisten Tieren und Arten haben wir viel gemeinsam. Wir brauchen Nahrung, folgen Trieben, eine Axt kann uns töten und insgesamt ist unser Dasein auf einen im Vergleich zur Erdgeschichte winzigen Zeitraum begrenzt. Würde das Zeitalter der Erde bis heute genau einem Meter Maßband entsprechen, würde die bisherige Daseinszeit von uns menschenähnlichen Geschöpfen nur etwa die Größe eines Sandkorns ausmachen. Und vergleichsweise zu anderen Lebewesen sind wir sogar ziemliche Memmen, denn Bakterien können selbst unter den widrigsten Umständen gedeihen und auch viele Tiere sind weitaus widerstandsfähiger als wir. Es ist also nicht unsere Langlebigkeit, Robustheit oder Größe, die uns hat so weit kommen lassen. Es ist schlicht und einfach unsere Intelligenz. Mit kleinen Steinkeilen fing es an, über das Feuer, die Elektrizität, die Containerschifffahrt und schließlich die modernen Bits und Bytes in der Höllenmaschine, vor der ich gerade sitze. Und genau hier fängt der Schlamassel an.
Wir von außen
Man stelle sich vor: Wir Menschen sind stille Beobachter und schweben über der Welt, leben aber nicht auf ihr. Wir beobachten Affen, die sich Stück für Stück weiterentwickeln. Überall ist Urwald, wilde Natur und ein Potpuorri verschiedenster Arten. Erst machen die Affen ein Feuer, freuen sich wie Bolle und wollen dann aber noch mehr Licht. Irgendwann erfinden sie elektrisches Licht, dann Kohlekraftwerke und dann beginnen sie, ihr erstes Atomkraftwerk zu bauen. Plötzlich fangen die Affen aus Gruppe A die Affen aus Gruppe B zu töten, da die Affen in Gruppe B lieber mit dem Kopf nach Osten schlafen als nach Westen. Und schließlich beginnen sie, sich aus den seltensten Früchten ihrer Umwelt Dinge zu bauen, die sie eigentlich nicht benötigen. Einschreiten möchte man und rufen: „Halt! Was macht ihr denn da? Seid Ihr bescheuert?“
Konstrukte vernebeln uns den Blick
Doch so einfach diese objektiv richtige Reaktion aus der Beobachterperspektive ist, so schwer ist es, sie an sich selbst zu begreifen. Wie ein Schüler, der zu dicht vor der Tafel steht und seine wichtigste Formel nicht mehr sieht. So stehen auch wir Menschen in einem von uns geschaffenen Konstrukt und können nur noch innerhalb dieser Denkmuster entscheiden – ein objektiver Blick bleibt uns dabei verwehrt. Soziale Umstände, wirtschaftliches Denken und kulturelle Einflüsse prägen uns so sehr, dass unsere Verbindung zur Erde gekappt ist. Und genau hier liegt für mich die Absurdität: Über Jahrhunderte haben wir uns auf dieser Oberfläche Erde ein Konstrukt aus unserer Intelligenz geschaffen, durch das wir nun nicht mehr hindurchsehen können. Wie anmaßend es von außen aussehen muss, dass wir denken, ein Schöpfer habe uns hervorgebracht. Wie dumm es von außen aussehen muss, dass wir die von der Erde geschenkten Ressourcen für Luxusgüter verpulvern. Und wie lächerlich es von außen aussehen muss, wie wir uns so selbstverständlich in einer Welt bewegen, die aus uns selbst entstanden ist. Religion, Politik, Mode und Luxus scheint unter dieser Betrachtung fast grotesk – behält man im Hinterkopf, dass wir lediglich einer von hunderten Ästen der Entstehung der Arten sind. Materien- und Zellhäufchen, die im Zeitalter der Erde nur ein Wimpernschlag sind. Ich möchte damit nicht sagen, dass wir all das nicht bräuchten. Wir sind soziale Wesen, wir definieren uns über Gegenseitigkeit und identifizieren uns nur über das Handeln anderer. Doch vieles so Wertloses ist dabei entstanden, dass es denjenigen, die uns von außen beobachten, unter den Fingern brennen muss, zu sagen: „Halt! Was macht ihr denn da? Seid Ihr bescheuert?“
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