Auch schonmal über Moderne Kunst gewundert und die museumsinterne Kindergartenkritzelei misstrauisch beäugt? Wir bringen ein wenig Farbe in den grau-trüben Alltag und wundern uns über Kreativkollektive, über die geschmacklichen Ver(w)irrungen der Kunst. Aber schön ist es doch irgendwie auch. Für alle Kunstbanausen oder solche, die es nicht mehr sein wollen.

Kunst: Konfetti

Ich stehe vor einer abbruchreifen Immobilie und betrachte den linksplotischen Wandbehang an der bröckelnden Außenfassade. Bunte Pinseleien und Plakate mit eingängigen Statements leuchten mir entgegen, ein Fetzen Papier trudelt zu meinen Füßen im kalten Wind vorbei. Es ist mal wieder soweit: Trotz meiner recht übersichtlichen privaten Betätigung im kulturellen Sektor, möchte ich doch ab und an ein wenig Kunst in mein Leben lassen. Ein wenig Buntheit ins graue Stelldichein mit dem Alltäglichen. Und wie immer bin ich trotzdem skeptisch. Sie sind mir nicht so ganz geheuer, diese Künstler, diese in sich ruhenden Geschöpfe mit denen ich nie so recht umzugehen weiß und die auf mich immer etwas weltfremd wirken. Optisch abgedreht und mental vielleicht auch. Schrill-bunt ökologische Kleidungsstile und Kombinationen, die selbst einem Kleinkind als ästhetische Komposition nicht in den Sinn gekommen wären. Von mir aus befremdlich und trotzdem bin ich hier, denn irgendwie sehne ich mich nach dem modern-jungen Ambiente, nach ein bisschen Freiheit im geordneten Deutschland.

Kunst: Kreativer Körperkult

Ich gebe mir einen Ruck und trete durch die finstere Eingangstür ins Innere der VillaKunterbunt, in der eine Kunstausstellung mit musikalischer Gesangseinlage entzücken soll. Im Hausflur riecht es bereits nach Selbstgemachtem und es ist nicht schwer zu erraten, was wohl auf der Snack-Liste zu finden sein würde: Irgendwas veganes suppiges. Ich trete ein und befinde mich Aug’ in Aug’ mit der stilistischen Kreativität der Kleidungsträger am körpereigenen Projekt. Da stehen sie mit wildgemusterten Kleidern und schief geschnittenen Haaren, die Filzhandtasche unter dem Arm, bestrumpft und ohne Schuhe vor den Bildern und diskutieren mit langsam-monotoner Stimme die Dreidimensionalität der bildhaften Bedeutungsschwere. Ein besonders mutiges Exemplar schwebt an mir vorbei: Sie trägt ein schrill-gelbes Blümchenkleid zu lilanen Strumpfhosen und einer riesigen Omabrille, die fast schon erfolgreich vom einzelnen baumelnden Dinosaurier-Ohrring an ihrem rechten Ohr ablenkt. Ihr Haupt schmückt ein vollständiger Undercut des Pumuckl-rot gefärbten Kopfhaares, das zu einem schlampigen Oberkopfdutt frisiert worden war. Fasziniert überlege ich, wie viel Zeit sie wohl für die Zusammenstellung eines derart exklusiven Outfits benötigt hatte.

Kunst: Formlosigkeit im tieferen Sinn

Die Bilder selbst sind interessant und entmutigend zugleich. Sie bestehen zumeist aus nicht mehr als einem bunten geometrischen Gebilde und pflanzen zwei besorgniserregende Fragen in mein Hirn: Wie realitätsfern musste ein Mensch erstens bereits sein, um die Erstellung dieser kinderleichten Malereien als eine lebensfüllende Aufgabe zu betrachten und wieso war es zweitens möglich, damit einen ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen? Abstrakt einfach oder einfach abstrakt. Es gab gewiss auch schöne Kunst, aufwändige Gemälde und Skulpturen, fantastische Bauwerke, Tore in eine visuell fremdartige Welt. Doch immer mehr scheint die Existenz klassischer Kunst einem einzigen Akt des Experimentierens gewichen, in dem selbst ein Haufen Müll plötzlich in den Fokus künstlerisch-interpretativen Gebarens gerät. Je unverständlicher und unangemessener das Werk, desto lauter die Betrachtung. Versuchen wir auf der philosophisch-kreativen Welle mitschwimmen zu können und zu loben, wo es eigentlich nichts zu loben gibt? Oder fehlt mir selbst der kognitive Raum zum tieferen Verständnis?

Kunst: Musik im Ohr, Fragen im Kopf

Still löffele ich meine vegane Tomatensuppe und beäuge das Ausstellungsmaterial bis zum Beginn der Gesangseinlage. Und dann ist es soweit: Bunt gekleidete Menschen werfen sich bäuchlings auf den Boden, hocken mit meditierend gekreuzten Beinen auf überdimensionalen Kissen auf dem Echtholzfußboden, den Blick verklärt, den frisürlich verstümmelten Kopf verträumt zur Seite geneigt. So sitzen sie da, barfuß zumeist in weiten Meditationshosen und lauschen andächtig dem Gitarrenspiel. Ich kann mir nicht helfen: Künstler erwecken in mir häufig den Eindruck der lebenslangen bewusstseinserweiternden Zugedröhntheit. Auch ich finde es schön irgendwie. Ich finde es schön, dort zu sitzen und mich von handgemachter Musik umspielen zu lassen, die Sänger und meist Komponisten des Vorgetragenen zu bewundern. Sie sind meisterhaft. Und ich finde plötzlich sie schön, die Menschen in ihrer Einzigartigkeit, die den Mut haben, es ganz anders zu machen. Ich verstehe sie vielleicht nicht immer. Doch ich verstehe ihren Wunsch nach Farbe. Sie wollen wohl leben und etwas schaffen, das zum Leben passt. Etwas Regelloses, etwas Überraschendes, etwas Fragendes. Und das will ich doch eigentlich auch.

Bunt und schön geht’s auch in unserer Sammelnuss zu: Ein Ausflug in die ungeraden Ecken der Erlanger Kneipen-Szenerie. Okay, erwischt. Auch das ist Kunst!