Globetrotter OTT: Gewonnen! Auf geht’s nach Schweden, zur Outdoor-Test-Tour von Globetrotter! Hauptgewinn oder Niete? Donnerbuddies oder Gurkentruppe? Du hast das erste Kapitel schon gelesen und willst wissen wissen, wie es weitergeht?  Hier gibt’s Nachschub aus Schweden: Tag 1: Das Abenteuer beginnt; Tag 2: Wir stechen in See; Tag 3: Vom Sinnlosen im Sonnenschein; Tag 4: Hechtsuppe; Tag 5: Erfolg auf ganzer Linie; Tag6: Hoch hinaus; Tag 7: Auf ins Gefecht; Tag 8: Schlecht geplant ist voll daneben.

Globetrotter OTT: Geländearbeit in der finnischen Tundra

Es ist Donnerstag, der 27. August. Ich stehe in meinem Badezimmer und föhne meine Wanderstiefel, die tropfnass und dreckig von der Geländearbeit vor mir im Waschbecken stehen. Die ganze Bude stinkt bereits penetrant nach nassem Hund und wird meine neue Mitbewohnerin Fatima aus Pakistan bestimmt zum Bleiben animieren. Doch es hilft alles nichts, die Dinger müssen trocken werden, denn nach nur einem halben Tag Verschnaufpause gehen mein roter Osprey und ich wieder auf Reisen. Nach Schweden dieses Mal, auf zur Globetrotter OTT, einer 8-tägigen Kanureise über die schwedische Seenplatte Dalsland im Südwesten des Landes. Bei wem da möglicherweise ein Glöckchen klingelt: Tatsächlich hatte ich die Reise schon letztes Jahr einmal gewonnen, konnte aber aus Zeitgründen nicht antreten. Zeit war eigentlich auch dieses Mal nicht vorhanden und Geld sowieso nicht, doch war auf den Reisefuchs in mir auch jetzt wieder Verlass: Ich hatte eine aberwitzig komplizierte, aber dafür relativ günstige Reiseverbindung gebucht, die mich nun in 1,5 Tagen quer durch Skandinavien bis nach Lennartsfors führen sollte. Resigniert ziehe ich den Stecker meines tapferen Reiseföns, schlüpfe in die immer noch feuchten Wanderschuhe und schultere mein etwas optimistisch gepacktes Handgepäck. Erste Etappe: Mein Lieblingsnachtzug im russischen Ambiente nach Helsinki. Oanh, eine vietnamesische Freundin und Deutschland-Fan wartet bereits am Bahnhof auf mich und gemeinsam beziehen wir Quartier im gebuchten Abteil. Mit einem kurzen Anflug des schlechten Gewissens gegenüber meiner Mitreisenden entledige ich mich kurzerhand des duftenden Feuchtbiotops an meinen Füßen. Atemberaubend! Aber die Klimaanlage tut ihr übriges und bei zehn Stunden Schlafreise geht Reisekomfort vor Höflichkeit. Es ist ohnehin mal wieder urgemütlich. Die Halogenscheinwerfer an der Decke funzeln fröhlich vor sich hin und animieren die Passagiere zur Ganzkörperverhüllung. Auch ich hänge mir kurzerhand die Fleecejacke über den Kopf und analysiere die hochdekorierte und völlig unentspannte Diskotante neben mir, die offenbar mit dem Sandmann hadert. Ständig gähnt sie auffällig laut und angestrengt und versucht sich ärgerlich stöhnend in eine bequemere Position zu bringen. Ich lausche ihr amüsiert und drifte in meinem Versteck immer wieder in die Dunkelheit.

 

Globetrotter OTT: Ach Helsinki, Du Ruhepol

Am Freitagmorgen um 8:30 erreichen wir den Hauptbahnhof Helsinkis und werden von meiner ehemaligen Mitbewohnerin Finnan in Empfang genommen, die uns mit Kaffee, Croissants und Badezimmer wieder unter die Lebenden holt. Dann entere ich mit Oanh die Shopping-Mall, um mich vor der zweiten Etappe noch mit lebensnotwendigem Utensil für die Reise (Mückenmittel und Schokolade) einzudecken. Von links plappert mir meine Shopping-Begleitung mit einer erstaunlichen Kontinuität auf Deutsch ins Ohr und lässt mein an diesem Morgen ohnehin etwas labiles Nervenkostüm immer dünner werden. Um halb eins ziehe ich die Reißleine. Ich muss hier weg, endlich zum Flughafen, endlich alleine sein und mal zur Ruhe kommen. Ein aufgebrezelter Typ mit Gucci-Handtasche steht im Bus dumm grinsend neben mir, zwei Kinder mit Riesenzahnlücke winken lachend durch das Fenster zu uns herein. Was tue ich hier eigentlich schon wieder? Lohnt sich der ganze Aufwand denn überhaupt? Endgültige Zweifel beschleichen mich als ich für meine Schnapsidee mit Handgepäck zu reisen 36€ Gebühr zahlen muss und der Vogel nach Oslo dann auch mit einer halben Stunde Verspätung auf das Rollfeld zieht. Auf norwegischem Boden sollte ich um 16:00 Anders und Viki treffen, ein schwedisches Pärchen, bei dem ich via Couchsurfing die Nacht verbringen würde. Interessiert stiere ich auf mein uraltes Telefon und bemerke die Abwesenheit jeglicher Kontaktmöglichkeiten. Ich habe keine Nummer und Internet sowieso nicht. Die tückische Gelassenheit der routinierten Reisenden. Würden sie wohl auf mich warten?

 

Globetrotter OTT: Die schwedische Kunst zu leben

Sie würden und wir finden uns fragenden Blickes quer durch die Flughafenhalle und zwängen uns lachend in das kleine Gefährt, bei dem die Heckklappe klemmt und das uns sicher die nächsten zwei Stunden nach Töcksfors kutschieren würde. Ich sitze im Auto mit zwei Individualisten, mit zwei Künstlern, die ihren Lebenstraum zum Beruf gemacht haben. In einer alten restaurierten Papiermühle töpfern sie futuristische Steampunk-Kunstwerke aus Ton und Metall, bestreichen und lackieren Holzelemente mit biologisch zusammengesetzter Wandfarbe und errichten in mühevoller Kleinarbeit eine Eventlocation unter dem Mühlendach. Viki führt mich herum und ich bin beeindruckt. Beeindruckt von der Aufopferungsbereitschaft, der Kreativität und Begeisterungsfähigkeit dieser beiden so unterschiedlich wirkenden Menschen. Sie haben ihr Ding gefunden und blühen darin auf. Ihr Gehöft, in dem wir abends kochen und unsere Unterkunft beziehen ist ein Spiegel ihrer Persönlichkeiten, ihrer Wünsche und Träume. Bunt zusammengewürfelt formen antike Möbel vor biologisch leuchtender Wandfarbe, bestückt mit Töpfereien und Kunstwerken das alte Gemäuer, in dem es inzwischen nach selbstgebackenem Brot und Linseneintopf duftet. Wir sitzen am Tisch der großen Wohnküche während die Sonne draußen golden über dem Garten untergeht und plaudern mit Raphael, einem argentinischen Couchsurfer, der im Mai kam um zu bleiben. Er arbeitet inzwischen fest für die beiden Schweden bevor es ihn weiterzieht in die weite Welt, nur nicht nach Hause. Später scheuche ich eine der drei Katzen unter meinem Bett hervor und krieche in meinen Schlafsack. Draußen steht der Vollmond über dem See und helle Birkenzweige schaukeln leise vor dem weißen Landhausfenster im Wind. Ich blicke zur antiken grün-weißen Blümchentapete und fühle einen Zeitsprung in die Welt der Jane Austen. Allein in der Fremde und trotzdem zu Haus. Die Globetrotter OTT hatte schon fast begonnen!