Konsum ist die Lösung. Für Alles. Das zumindest sagt mir jeden Tag mehrfach irgendeine Werbeanzeige, ein Banner, ein Sticker, ein Bild oder sogar Freunde. „Hol Dir doch mal dies, hol Dir doch mal jenes“ ist oft die Antwort auf irgendeine Aussage meinerseits. Nie habe ich groß darüber nachgedacht, wie sehr uns Werbung und Konsumanregungen in unserem Alltag begleiten und letztlich beeinflussen. „Konsumkritiker“, „Antikapitalisten“ oder „Konsumverweigerer“ waren für mich lange Synonyme für Hippies, Fortschrittsverweigerer und Spaßnegierer. „Hört halt einfach weg, seht halt einfach nicht hin!“, wollte ich ihnen sagen, wenn ich zugemüllt wurde mit Einladungen zu konsumkritischen Stadtrundgängen.

Doch wurde dieser Samen einmal im Kopf gepflanzt, reift er heran. Und nun kann auch ich nicht mehr so leicht wegsehen, nicht mehr weghören. Ausschlaggebend für diesen kurzen Verriss der Werbeindustrie ist das aktuelle Titelblatt der „Wirtschaftswoche Green Economy“, das mir entgegentitelt: „Kauf Dich frei! Wie Konsum das Gewissen beruhigt – und der Umwelt hilft“. Erst dachte ich an Ironie, eine kritische Auseinandersetzung mit der Green Economy. Doch was da steht ist ernst gemeint und verspricht wirklich eine Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks durch Konsum – grünen Konsum. Ohne hier jetzt einen klimawissenschaftlichen Abriss darüber zu schreiben, dass auch grüner Konsum einen Fußabdruck hat und durch Rebound-Effekte (ich habe ein spritsparendes Auto, fahre damit aber 10x mehr) oft noch schädlicher ist, muss man sich diesen Titel auf der Zunge zergehen lassen: Er stellt den Konsum in den Mittelpunkt der Werkzeugleiste, die uns für die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung steht. Individual Green Washing. Natürlich ist von der Wirtschaftswoche nicht unbedingt eine andere Richtung zu erwarten. Dennoch reiht sich dieser Artikel in genau die Konsumreligion ein, auf die ich hier hinweisen möchte.

Konsum nicht Mittel zum Zweck, sondern Zweck selbst

„Diese Atmosphäre, die verleitet einfach schon zum Kaufen!“ freut sich eine Kundin der Mall Of Berlin in dem aktuellen Radiospot, der auch auf Alternativsendern stündlich zu hören ist. „Schön“ freue ich mich da, wenn die Person sogar erkannt hat, dass psychologische Tricks zur Anregung von Konsumwünschen angewandt wurden – und sie diesen dann trotzdem erfreut folgt. Ein anderer Spot warb mit einem Ausflug in ein Einkaufscenter als perfektes Familienerlebnis für den Sonntag. Nun bleibe die sonntägliche Familienbeschäftigung jedem selbst überlassen, doch ist es bezeichnend für (einen Teil) unserer Gesellschaft, wenn als Hobby „Konsum“ angegeben werden kann. Denn was ist Konsum eigentlich? Nach dem Wortstamm (lat. consumere=verbrauchen) eigentlich der Verbrauch von Dingen, hauptsächlich natürlich lebensnotwendiger Güter: Lebensmittel, Haushaltswaren, Dinge des täglichen Bedarfs. Die meisten Produkte, die heute konsumiert werden, erfüllen diese Voraussetzung nicht. Es wird uns suggeriert, dass wir sie brauchen würden: nur mit einer Outdoorjacke von Elefant kannst Du am Berg überleben! Nur Ciclodevilvenax hilft Dir bei Nackenschmerzen! Nur ein Auto von Schleuder bringt Dich wirklich von A nach B! Plötzlich etwas zu wollen, dass man vorher nicht brauchte, da man sich dadurch eine wesentliche Verbesserung der Lebenssituation verspricht, ist das Ziel solcher Anzeigen. Dass sie oft unnötig sind, wie Eierwärmer aus Plastik, ein sprechender Seifenspender oder ein SUV im Stadtverkehr, steht dann gar nicht mehr zur Debatte. Wir „verbrauchen“ diese Produkte nicht, weil sie lebensnotwendig wären. Wir verbrauchen nur zusätzlich materielles Beiwerk zum eigentlich Lebensnotwendigen und damit unsere Umwelt.

Und auch bei der externen Darstellung des Charakters spielt der Konsum eine entscheidende Rolle. Nicht umsonst spricht man von einer Konsumkiste, aus der man sich seinen Charakter „zusammenkaufen“ kann. Ich kaufe, also bin ich. Und hier kommen wir zurück zum grünen Konsum, zur green economy: Ich kaufe fair, ich kaufe bio, ich kaufe regional – ich bin ein umweltbewusster Mensch! Jein. Denn im Mittelpunkt steht immer noch der Konsum, auch wenn er auf diese Weise natürlich nachhaltiger ist. Die Fokussierung auf den Konsum verstärkt letztlich nur das Problem, dass wir über einem für uns und den Planeten gesunden Niveau des Wohlstandes leben.

Die Lösung: Nichtkonsum. Das Problem: er ist nicht sichtbar. Man kann sich seinen Nichtkonsum nicht umhängen, man kann ihn nicht tragen, man kann ihn nicht sehen. Für Andere wird er nicht erkenntlich und hilft deswegen nicht dabei, den Charakter zu zeigen. Er würde das Verlassen des Konsumparadigmas bedeuten, eine Abkehr vom gewohnten Weg. Das ist für soziale Gewohnheitstiere wie uns schwierig und gesellschaftlich wenig akzeptiert – dann lieber weiter wie bisher: Ich kaufe grün, also bin ich grün.

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