Kanutour Schweden: Wir stechen in See! Auf nach Schwedens, auf zum Foxen, zu Blaubeer-Calzone und der ersten Portion Wildnis der Globetrotter OTT. Noch nicht ganz im Bilde? Dann lies Dir doch Kapitel 1 & Kapitel 2 der Schweden-Tour noch einmal durch. Weiter geht’s dann mit Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8 & Kapitel 9.
Am Sonntagmorgen erwache ich wohlig gewärmt in meinem neuen Schlafsack und finde das Teil schon jetzt hervorragend! Endlich keine frostig verkrampften Nächte mehr, in denen selbst die ballartig zusammengekauerte Körperhaltung nichts mehr bringt. Manfred steht bereits mit einer dampfenden Tasse Kaffee in Fleecejacke am Lagerfeuer und begrüßt die Morgenmuffel unter uns. Er war im kühlen Morgennebel bereits schwimmen im kühlen Wasser des Foxen und hatte sich dann fürsorglich des Lagerfeuers angenommen. Diese 6:00-Routine würde er bis zum Ende unserer Reise fortsetzen und sich nicht nur damit zu einem wertvollen Gruppenmitglied entpuppen. Irgendwann äugt auch David aus seinem Gepäckhänger hervor und dann gibt es Frühstück. Er mischt aus Milchpulver und heißem Wasser eine große Flasche Müslimilch zusammen und ich merke, wie wenig ich eigentlich von Outdoor-Nahrung weiß. Reis mit Scheiß war bisher das Mittel zum Zweck. Dann folgt das altbekannte Procedere eines solchen angeleiteten Camping-Ausflugs: Ein jeder versucht hochkonzentriert und möglichst schnell das ideale Packsystem auszutüfteln und den ganzen Kram im schmal geschnittenen Packsack wasserdicht zu verstauen. Die allgemeine Geschäftigkeit nutzend verschwinden immer wieder Herdentiere von der Bildfläche, um noch schnell einem eigenen ebenso wichtigen Geschäft nachzugehen oder sich noch eben den Reisestaub vom Leib zu waschen bevor es in den zivilisatorisch wenig ausgestatteten Busch geht.
Kanutour Schweden: Praxistest auf dem Foxen
Gegen Mittag knattert Guide Christian ins Camp, drei rot-orange Kajaks auf dem Hänger, die bei den Einen Verzückung, bei den Anderen Entsetzen hervorrufen. Ich kann doch keine Eskimorolle und fühle mich unter Wasser gänzlich unwohl?! Doch kein Grund zur Sorge, die silbernen windschnittigen Kanadier sind auch mit von der Partie und bieten genug Stauraum für Gepäck und Hosenschisser. Barfuß und hemdsärmelig turnen wir über glatte graue Uferfelsen, laden Tonnen, Packsäcke und Kleinkram in die Boote und halten immer mal wieder einen Fuß ins Wasser und das Gesicht in die Sonne. Und nach einer kurzen Einweisung von David geht es dann los, ich hinten im Boot als Steuermann, Gabi vorn als Motor unseres Kahns. Der Rest der Gruppe flitzt schon über das Wasser dahin, während ich mir noch beim J- und C-Schlag die Arme verheddere. Doch dann machen wir es gut und immer besser und sind nicht die Einzigen, die hin und wieder auf merkwürdigen Routen abdriften. Markus würde ohnehin die ganze Reise in sicherer Entfernung irgendwo auf dem Binnengewässer dahin trudeln und glücklich seine Angelschnur hinter sich herziehen. Die Sonne spiegelt sich im bleigrauen Wasser und die Wolken fegen von einem frischen Wind getrieben über den blauen Himmel dahin. Die frische Luft tut gut und es macht Spaß draußen zu sein. Grau-grüne, durch felsige Ufernasen eingerahmte Nadelwälder ziehen an uns vorbei, hin und wieder blitzt das rote Tuch eines Scandtrack-Zeltes daraus hervor. Etwas über eine Stunde folgen wir den Wellen des Foxen nach Norden, genießen den Blick und das Gefühl der Freiheit und gehen in einer kleinen Bucht am Beginn des Stora Le an Land. Entgegen meiner Befürchtungen hier einer massentouristischen Veranstaltung aufgelaufen zu sein, begegnen wir in der kommenden Woche nur hin und wieder einem Kanadier und haben die weite Seenplatte überwiegend für uns. Wir beginnen mit dem Ausladen, bugsieren das Gepäck an Land und ziehen die Boote ins Trockene. Dann werden die Zelte aufgebaut, das Tarp als Regenschutz und Himmelbett für David gespannt und Feuerholz für die gewünschte Kaminwärme gesammelt. Gabi und mich hat es dieses Mal in ein recht simples 2-Personen-Tunnelzelt verschlagen, in dem wir uns aus Platzgründen heute Nacht zusammenkuscheln können. Unsere Isomatten überlappen sich am Fußende bereits innig und beschleunigen den Prozess des Kennenlernens erheblich. Und so entwickelt sich in kürzester Zeit ein buntes Zeltlager, rote Packsäcke lehnen am Kiefernstamm, das Feuer prasselt und die Trockentoilette duftet in sicherer Entfernung würzig vor sich hin. Lieber wäre mir ja der Spatengang hinter den nächsten Baum, aber wenn das nun Jeder machen würde…
Kanutour Schweden: Meisterbäcker im Busch
Bis zum Abendessen haben wir uns alle gleichmäßig über unser Hoheitsgebiet verteilt, um uns mehr oder weniger sinnvoll in die Camp-Gestaltung einzubringen, zu angeln, zu baden oder Beeren zu sammeln. Mit Lisa hänge ich schon eine gefühlte Ewigkeit in den Büschen, klaube mit purpurschwarzen Fingern die Blaubeeren vom Geäst und fülle Tassen und Teller für die kulinarische Weiterverarbeitung. Jana und Manfred zeigen ebenfalls Einsatz und so haben wir bis zum Abend eine riesige Portion Beeren vorzuweisen, aus der wir optimistisch einen Blaubeerkuchen backen wollen. Während ich Fichtennadeln und Blätter aus dem gewaschenen Sammelgut und zerdrückte Blaubeeren aus meinem Schuh angele, bereitet David einen multifunktionalen Stockbrotteig zu, der heute als Tortenboden fungieren soll. Aus dem Tortenboden werden schließlich doch Calzone-Taschen, die wir erst mit Beeren befüllen und dann zu kunstvoll unförmig-bauchigen Gebilden formen. Die ganze Aktion dauert so dermaßen lange, dass wir inzwischen unter einem gewissen Erfolgsdruck stehen. Sollten die Dinger scheiße schmecken, wäre das in Anbetracht des Arbeitsaufwandes einfach nur ziemlich peinlich. Doch nachdem wir nach Bratkartoffeln mit Speck immer noch hungrig aus der Wäsche gucken, gibt es kein Zurück mehr und Lisa stürzt sich mit hölzernen Pfannenwendern bewaffnet ins Gefecht. Langsam bräunen die Calzone-Taschen vor sich hin und suppen blau-schwarz in die gusseiserne Pfanne. Christian erbarmt sich als Erster und probiert. Bang beobachten wir ihn aus den Augenwinkeln und dann….schmeckt es ihm! Unsere Blaubeerküchlein werden an Mann und Frau gebracht, mit Zucker und Nutella bestreut und schmecken tatsächlich überraschend hervorragend. Nach der ersten Tasche mit Nutella sehen wir alle aus als hätten wir unsere Beißwerkzeuge nicht mehr unter Kontrolle und Lisa grinst mich mit blau-schwarzen Zähnen über das Lagerfeuer hinweg an. Ich sehe sie heute Nacht schon mit schwarzen Haaren und einem langen weißen Nachthemd verrenkter Gliedmaßen durch das Zeltlager kriechen. Ja und dann zieht Christian die Spirituosen hervor, kredenzt Bier und Met und Wein und sorgt für gänzlich ausgelassene Stimmung, vor allem bei Gabi. Von Zurückhaltung längst keine Spur mehr. Lisa sächselt mit schwarzem Regenhut unverkennbar gackernd vor sich hin während Jana mit drei Fleece-Jacken und Teddyohren-Mütze bekleidet lächelnd ins Feuer stiert und den Männern bei der passgenauen Reproduktion der Werner-Filme zuhört. Nils und Melik entwickeln sich langsam aber sicher zum humoristischen Dreamteam und zitieren ein Filmchen nach dem Anderen, was ansatzweise Aufschluss über ihre zivilisatorische Freizeitgestaltung gibt. Gabi eiert zum Trockenklo und ich sorge mich etwas um meine Nachtruhe. Ein Abend wie er im Buche steht. Wir aalen uns in Gemütlichkeit, wir sind angekommen.