Kanutour Schweden: Vom Sinnlosen im Sonnenschein! Mit zappelnden Seeungeheuern und kitschigen Sonnenuntergängen setzen wir die Kanu-Reise fort im wilden Schweden. Noch nicht ganz im Bilde? Dann lies Dir doch Kapitel 1, Kapitel 2 und Kapitel 3 der Schweden-Tour noch einmal durch. Oder schau Dir an, wie es weitergeht im Kapitel 5, Kapitel 6, Kapitel 7, Kapitel 8 & Kapitel 9.
„Oh Gott, mir ist so schlecht“, werde ich von rechts aus den Untiefen von Gabis Schlafsack geweckt, die kurz darauf unsicheren Schrittes Richtung Freiluft strauchelt. Der Spirituosen-Mix lässt grüßen und ich bin froh, mich mit einem Gläschen Met und Wein begnügt zu haben. Wach bin ich jetzt trotzdem und von draußen strömt frische, kühle Luft hinein, die mich aus dem warmen Schlafsack lockt. Ich krieche aus unserem bescheidenen Bau und begutachte die morgendliche Szenerie. Ein Nebelschleier hängt noch über dem Camp, umwabert Baum und Strauch und Manfred, der emsig und lautlos am Lagerfeuer herum werkelt. Sonst ist niemand wach. Lisa pendelt in ihrer grünen Hängematte mit Seeblick schlafend hin und her. Eine ausgedehnte Morgentoilette muss her. Ich angele mir meinen Waschbeutel und ein Handtuch aus dem Packsack vor unserem Zelt und stiefele barfuß über die feuchte Erde aus dem Camp hinaus. Hinter dem Trockenklo führt ein kleiner Pfad am Ufer entlang und mich bald zu einer abseits und sichtgeschützt gelegenen Uferbank mit flach ins Wasser abfallenden Felsen. Das Wasser ist kalt und Nebel hängt noch über der Oberfläche. Es ist ganz still und andächtig lausche ich dem Rauschen des Windes in den Bäumen und dem hellen Gurgeln des Wassers an meinen Füßen. Ich nehme ein ausgedehntes Bad mit Panoramablick in meiner felsigen Badewanne und werde langsam wach. Als ich zurückkomme, haben sich bereits ein paar weitere Frühaufsteher zum Feuer gesellt und wir schlürfen Kaffee und Tee aus unseren Alubechern. Zuckerei!
Kanutour Schweden: Der Fisch am Haken
Nach dem Frühstück verteilen wir uns im Camp, hängen alleine auf den Felsen in der Sonne unseren Gedanken nach oder nehmen die ersten Bewertungsbögen für das gestellte Equipment ins Visier. Ein notwendiges Übel für unsere derzeitige Daseinsberechtigung . Pro Tool muss von jedem Teilnehmer ein Bogen ausgefüllt und Angaben zum ersten Eindruck, zu Verarbeitung und Anwendung und schließlich eventuelle Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Abschreiben ist nicht und trotzdem wird fleißig Meinungsforschung beim Nebenmann betrieben. Was zum Teufel soll man beim Punkt Verarbeitung auch auf fünf Zeilen bringen? Ich setze mich mit meinen Bögen auf einen Felsen abseits der Gruppe in die Sonne und wasche erst einmal meine Dreckwäsche im wehrlosen Wasser des Foxen. Unterwäsche und Socken liegen blütenrein neben mir auf dem rauen Felsen in der Sonne… und sollten bis zum Ende der Tour nicht mehr trocken werden. Eine Libelle schwirrt vorbei und ich finde das Leben plötzlich ganz einfach. Am Nachmittag hat der Großteil von uns genug vom Sinnlosen im Sonnenschein und wir setzen die Segel, folgen Nils und Markus zum Fischen auf das offene Wasser. Gabi, Christian und David bleiben im Camp, Manfred zieht im hölzernen Kanadier allein seine Runden. Die unbepackten Boote sind leicht, die Stimmung auch und wir gleiten unbeschwert dahin in der Sonne, die Festivalsonnenbrille auf der Nase, Füße baumeln über der Boardwand im Wasser. Ab und zu kollidiert ein Boot mit der erwartungsvoll ausgeworfenen Angelschnur, doch so richtig achten wir eigentlich nicht auf sie, quaken vor uns hin und ziehen unsere Bahnen den Stora Le hinauf. Und dann verheddert sich ein Barsch in Markus Fängen, der im silbernen Kanadier bald sein schillerndes Leben aushaucht. Aufgeregt umkreisen die Schaulustigen die Richtstätte und verstauen den erlegten Fang wie eine Galionsfigur auf der Kajaknase. Abendessen…für eine Person.
Kanutour Schweden: Es wird zerlegt
Nach kurzer räumlicher Orientierungslosigkeit landen wir zur verabredeten Zeit um 15:30 wieder im Camp an. Pünktlich wie die Maurer, wir können eben auch nicht aus unserer deutschen Haut. Am Ufer ein winkendes Empfangskomitee aus den zwei Neuzugängen Mirko und Mike und einem 1,07 Meter-Hecht, den David der Gefriertruhe entrissen und uns damit vor dem drohenden abendlichen Hungerast bewahrt hat. Mike würde morgen wieder abreisen, Mirko als Fotograf bis zum Ende der Tour mit von der Partie sein. Nils Augenbrauen erwandern sich skeptisch ihren Weg nach oben und er kickt resigniert ein paar Steinchen ins Wasser. Vollzeitdokumentation am lebenden Objekt, Zootiere im Freigehege. Doch erst einmal heißt es Feuerholz sammeln und nebenbei heimlich eine Packung Doppelkekse niedermachen. Ich greife mir mit Lisa eine Axt und versuche bei der dilettantischen Pulverisierung des sperrigen Geästs Haltung zu bewahren. Meine mal vorhandenen Boulderarme schwächeln schon nach zehn Minuten vor sich hin, die Axt malt breitgefächerte Muster auf den Stamm. Zielen war ja noch nie meine Stärke. Glücklicherweise stellen sich die Anderen bei der Errichtung eines Regenschutzes für die kommenden Tage besser an und bald sitzen wir gemütlich unterm Plastikdach, beobachten David beim Zerkleinern des schuppigen Ungetüms mit Axt und Messer. Jana kocht Gemüsereis zum brutzelnden Hecht in der Pfanne und auch Gabi ist inzwischen wieder in der Lage feste Nahrung zu sich zu nehmen. Vor einem sagenhaften blutroten Sonnenuntergang vertilgen wir genüsslich ein maritimes Mahl, fachsimpeln über Langzeitbelichtungen und eröffnen dann das fotografische Bombardement auf die unanständig kitschige Landschaftsszenerie. Am Feuer führend Werner und Röhrich ein gackerndes Zwiegespräch:“ Ich zähl bis eins, dann is hier Achterbahn!“.