Kanutour Schweden: Auf ins Gefecht! Ein Kampf mit dem Sandmann, mit einer Schwimmwurst in gelb und unser Kanuteam gegen den Rest der Welt. Eine Runde Ferienlager, danke! Noch nicht ganz im Bilde? Dann lies Dir doch Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6 & Kapitel 7 der Schweden-Tour noch einmal durch. Zum letzten Kapitel der Reise geht es in unserem Kapitel 9.
Mit einer nervtötend fröhlichen Melodie trillert mein Handywecker um 5:45 vor sich hin. Zerknautscht arbeite ich mich wie eine Raupe aus meinem Schlafsack und schiebe zwei Hände aus meinem Guckloch, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ich könnte weiterschlafen, aber der Sonnenaufgang…Beim Thema Fotografie ist auf meinen inneren Schweinehund kein Verlass und so entledige ich mich brummend meiner Wurstpelle, deren Reißverschluss sich natürlich in völliger Unerreichbarkeit an meinem Rücken versteckt, und krieche in die klamme Morgenluft. Tatsächlich sehe ich erst einmal nichts, denn es ist furchtbar neblig. Egal, mein Magen knurrt ohnehin und mein morgendlicher Fleiß kann ruhig schon einmal mit einem Nutellabrot belohnt werden. In fusseliger Schlafleggings und knautschiger Primaloftjacke stehe ich bald verhüllt an der blauen Frühstückstonne und knabbere an meinem Schokobrot als würde ich etwas Verbotenes tun. Fünf Meter vor mir kriecht ein zweiter verschlafener Fotograf aus seinem Zelt und überführt mich leise kichernd meiner morgendlichen Futterlust. Wir sind beide vom Wetter noch nicht ganz angetan und beobachten erst einmal die schaukelnde Lisa in ihrer Hängematte, die sich ebenfalls mit noch halb geschlossenen Augen auf den verfrühten Arbeitseinsatz vorbereitet. Kopf aus dem Schlafsack, den Raupenleib über den Hängemattenrand gehievt, Pause. Sie blickt uns an: „Na, des is ja noch a bissl finster.“ Mirko und ich nicken und wir alle schauen noch ein wenig Markus und Jana am Klippenrand beim Schlafen zu. Nur ein paar Teddyohren lugen aus dem Raupennest. Langsam schiebt sich ein rot-goldener Ball über den Horizont, verhüllt und verwischt hinter dem Morgennebel. Wir hoffen auf Inversionswetterlage, auf ein uns zu Füßen liegendes Wolkental, die Sonne darüber in klarer Luft. Wir warten und ich wippe auf der Slackline sitzend vor mich hin. Es ist ganz still, der Nebel dämpft jedes Geräusch und ich bin froh, aufgestanden zu sein, denn es ist schön! Dann beginnt Lisa aus der Langeweile heraus auf der Slackline zu turnen und da haben wir es plötzlich, unser morgendliches Motiv, das Sahnehäubchen, für das wir aufgestanden waren. Der Sonnenaufgang selbst war ernüchternd, die Sonne schon zu hell, als sie schließlich vom Dunst freigegeben wurde, aber wir hatten ein paar nette Bilder im Kasten.
Kanutour Schweden: Kriegserklärung von nebenan
Auch im Raupennest regt sich nun etwas und wir schleichen hinüber zur Schutzhütte, vor der sich Manfred bereits unbemerkt des Feuers angenommen hat. Ach Manfred, wenn wir dich nicht hätten! Nach und nach erwacht das Camp und wir frühstücken heute ausgiebig und lange bevor wir mit dem Packen beginnen. Vor dem Beladen müssen die Kajakaner noch einmal ran und mit den Booten in Formation zur Fotolinse. Eine schöne Aufnahme nach der anderen wandert auf Mirkos Speicherkarte während Melik, David und ich in der Sonne über die wirtschaftliche Zukunft unserer heilen Welt diskutieren. Welch ernüchterndes Thema! Und dann flitzen wir alle wieder dahin über den heute aufgewühlten See. Freie Bahn mit Marzipan! Dunkle stürmische Wolken ziehen über den Himmel dahin, der Wellengang macht das Paddeln heute anstrengender. Doch hinter mir im Boot grinst mir Melik mit roter Festivalsonnenbrille und Palituch entspannt entgegen und wir genießen es, wieder mit der Gruppe draußen zu sein. Unser Ziel ist eine kleine Insel auf der gegenüberliegenden Seite unseres einstigen Regen-Camps, die wir flächendeckend mit unserem Utensil einnehmen. Alphatier David trommelt uns um die Feuerstelle zusammen und mein schlechtes Gewissen starrt mich mit vorwurfsvollen Fettaugen an. Wir haben schon wieder nicht abgewaschen und der Streichkäse ist leer. Doch darum geht es dieses Mal nicht, denn David hat uns etwas anderes mitzuteilen: „Leute, heute herrscht erhöhte Alarmbereitschaft! Auf der Insel gegenüber trifft heute noch eine weitere Morning-Light-Tour ein mit deren Guide ich noch eine Rechnung offen habe.“ Ein einstiger übler Streich könnte des Nachts in einem Rachefeldzug gipfeln, in dessen Schusslinie wir uns befänden. Während vier von uns also einen Katamaran bauen, um Feuerholz zu holen, bauen wir anderen die Zelte auf und räumen das erste Mal und endlich auf: Boote an Land, Paddel ins Zeltversteck, Kisten und Tonnen wohlsortiert in Reichweite. Es darf nichts rumliegen, was irgendwie zum Unfug anstiften könnte. Dann geht es erst einmal ans Feuerholz machen, denn vor der Dunkelheit ist ja ohnehin nichts zu befürchten. Jana und Caro mühen sich bereits mit der Säge ab während mich Melik in die Kunst des Holzspaltens einweist. Wieder verteile ich schöne Muster auf der Holzoberfläche und zerkleinere mühselig mit schwächlichen Armen die heran rollenden Stumpen. Nils steht neben mir und beguckt sich amüsiert meinen Kampf mit dem Cellulosebrocken. „So kannst du doch nicht tun. Komm, ick muck di dat!“ Er nimmt mir die zweite Axt aus der Hand und die Kraftarbeit ab und ich bin von nun an für’s Zielen und Festhalten zuständig. Der traut sich was, denken wir beide, als meine Axt die Mitte mal wieder um 5 cm verfehlt.
Kanutour Schweden: Die Schwimmwurst und ich
Nach getaner Arbeit ist mir nach einem Bad und heimlich will ich Richtung Badestelle wackeln als mir Mirko und Jana den Weg abschneiden. In ihrer Hand baumelt RESTUBE Classic, ein schwarzer Rettungsgurt, der bei Benutzung eine gelbe Schwimmwurst in die Freiheit entlässt. Mir schwant Böses. Es ist das letzte Utensil, das Mirko noch nicht vor die Linse bekommen hat und die letzte Gelegenheit dieses zu tun. Flehend schauen mich zwei hoffnungsvolle Fotografenaugen an und ich gebe klein bei. Es gibt wahrlich bessere Momente für ein Bikini-Shooting als mit blauen Flecken und Mückenstichen übersät dreckig in die Fluten zu steigen. Ich leuchte wie eine weiße Schwimmboje am Ufer vor mich hin und repräsentiere den unterkühlten finnischen Sommer, der hinter mir liegt. Das eigentlich heimliche Shooting hat natürlich den gemeinen Pöbel angelockt, der nun feixend auf dem trockenen Felsen sitzt. Verkrampft griene ich vor mich hin und befördere dann mit einem Ruck an der Schnur die gelbe Rettungswurst an die Wasseroberfläche. Lieber Gott, lass es Tarnkappen regnen.
Kanutour Schweden: Im Schutz der Nacht
Am Abend wollen wir alle kulinarischen Rekorde brechen und endlich den Jägerbraten aus seinem blechernen Gefängnis befreien. Mit Kartoffeln, Zwiebeln, Erbsen und Möhren mischen wir eine zementartige Masse, die vermutlich nicht nur der Sättigung sondern auch allerhand Baumaßnahmen dienlich wäre. Allgemeine Erheiterung an der Front. Und das haben wir uns eine Woche lang aufgespart! Aufgrund eines personellen Engpasses in einem anderen Camp muss David unser Trüppchen nun frühzeitig verlassen und wir bleiben in kribbelnder Vorfreude auf die zu schlagende Schlacht zurück. Unter einem sagenhaften Sternenhimmel bräunen wir Stockbrot mit Zucker über dem Feuer und entsinnen Pläne für die Nacht. Um Mitternacht verkrieche ich mich in mein Zelt, um noch ein wenig mehr Schlaf für meine anstrengende Rückreise nach Finnland zu bekommen und werde gegen drei Uhr von Markus wieder geweckt. Kajaks und Kanu stehen bereits in der Dunkelheit am Ufer bereit und entschwinden bald lautlos mit ihren Insassen in die Nacht. Wir sitzen am Felsen und warten. Eine Lampe flackert kurz am anderen Ufer auf, dann ist es wieder dunkel. Haben sie die Frühstückstonne wohl schon gefunden? Plötzlich schieben sich drei Schemen gespenstisch aus der Dunkelheit über das Wasser auf uns zu. Das ging ja schnell! Begierig nehmen wir unsere Piraten ins Visier. Doch irgendwas fehlt. Tatsächlich: Keine blaue Tonne, Daumen nach unten. Die Füchse hatten in der Dunkelheit auf uns gewartet, das Vorhaben war gescheitert. Das hat euch der Teufel gesagt! Enttäuscht ziehen wir uns in unsere Zelte zurück und lecken unsere Wunden. In der Nacht dringen flüsternde Stimmen und das schleifende Geräusch einer Futtertonne in mein benebeltes Hirn, doch ich drehe mich um und schlafe weiter.
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