Mein erstes Mal. Auf Skiern. Aufgewachsen im höchsten Mittelgebirge Mitteldeutschlands inmitten von Mitten in. Ähm. Also im Harz halt. Und dann kein Skifahren können? Es bedurfte wohl erst der Wohnsitzverschiebung ins skibegeisterte Österreich, um auch in mir die Skilust zu wecken. „Kommste mit auf ´ne Hüttengaudi? Skiurlaub und so! Kannst Du doch, oder?“ Ähm, nein. Kann ich nicht. Aber so schwer kann es ja nicht sein und lernen muss ich es eh irgendwann mal, will ich doch eigentlich mein Leben nur in den Bergen verbringen – und dazu gehört eben auch der Winter mit dem lästigen weißen Pulver, das die Kletterwände zusetzt.

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Rauf auf die Kufen und ab dafür! (Foto von Malte Höfner)

„Pizzastück! Schneepflug!! Tannenbaum!!!“ RUMMS. Wieder fahre ich voll rein in meine Skilehrerin, die Doris heißt und auf die ich abfahre. Wortwitz. Wortwitz um die peinliche Situation zu überschmeicheln, denn ich stelle mich alles andere als geschickt an. Den Blick voller Angst vor dem massiven Abgrund (wir befinden uns etwa 10 Meter oberhalb der Talstation an einem fast horizontalen Hang) und die Skier unbeholfen kreuz und quer übereinander gelegt. Vom Lift schallt das Gekicher meiner Freunde herüber, die im Ankerlift einhändig und gleichzeitig telefonierend eine Jause verspeisen und sich mental auf die schwarze Piste vorbereiten. Und ich? Ich liege vor Doris im Schnee und rutsche arschvorwärts den Hang herunter, unfähig mich aufzurichten. „Hee cool, geht scho super, odr?!“ lacht sie mir entgegen. ‚Hach, Doris.‘ denke ich verträumt, bevor ich ruckartig zum Stehen komme, weil meine Skier einem Fünfjährigen in die Haxen jagen. Achillessehne durch, Anklage wegen schwerer Körperverletzung, Gefängnis und lebenslanges Pistenverbot. Das wäre schön. Dann wär der ganze Spuk hier schon jetzt vorbei. Stattdessen: Entschuldigung, sorry, laber laber, wieder rauf auf die Beine und von vorne.

Ein paar Stunden später läuft es dann. Der Knoten im Kopf ist weg und ich kann mich angstfrei in den Hang lehnen, auch wenn mir meine Intuition genau das verbietet. Immer wieder rasen meine verrückten Heizer-Freunde an mir vorbei und ich fange an zu Grübeln. Skifahren ist ein ziemlicher Individualsport. Eigentlich individueller als es irgendwie geht. Das sozialste daran ist, sich abends in der Hütte gemeinsam die Birne wegzulöten und morgens geschlossen zum Lift zu wanken. Danach sieht man sich stundenlang gar nicht oder nur im Vorbeirasen, verbunden mit einem gezischten „Sers.“. Und das als die sozial-sensitiven Klimaschützer und Ökonazis, die wir sind. Schön mit sechs Autos angefahren, der Dieselgenerator treibt den Schlepplift und das Ökosystem Bergwald durfte hier gepflegt dem Skigustus der Städter weichen. Das macht mich wütend. Ich stemme den Ski in den Kurven wütend in den Schnee. Wut ist gut. Ich fahre besser. Scheiß Flächenversiegelung. Mit Schneekanonen auf Spatzen. Boah, werd‘ ich schnell. Jaja und abends dann beim Après Ski zu Scheißmusik zusaufen und grabschen. Ist ja Après Ski, da ist alles erlaubt. Wut! Bist Du deppert, macht das Bock. Ich bin der fliegende Daitsche. Die Bäume rasen an mir vorbei, die Kurven werden enger. Scheiß Skifahrer, aus dem Weg, jetzt komm‘ ich! Superman mit fliegendem Umhang (offene Jacke, der Reisverschluss ist gerissen) und Lichtschwertern (Skistöcke). Macht das Laune, ist das geil! Ich rase an Doris vorbei und zische ihr ein „Sers.“ zu. Ich glaube sie ist nun verliebt in mich.

Schnitt.

Mit dem Gesicht liege ich auf einer Mischung aus Kies und Eis. Um mich herum meine Skiutensilien. Ich bin hingefallen, als ich meine Leihausrüstung zurückbringen wollte. Ausgerutscht, fuchtel fuchtel, zack. Eine Sekunde träume ich davon, wie mir eine weiche Frauenhand entgegengestreckt wird. ‚Doris, mein Engel‘, denke ich. Stattdessen: dumpfes Gelächter. Der Reisebus, neben dem ich auf dem Parkplatz im Dreck liege, ist voll besetzt. Da glotzen sie, kichern, drücken sich die Nase platt. Und ich lieg hier rum, der fliegende Daitsche. Scheiss Skifahren. Ich rappel mich auf, bringe meine Ausrüstung zurück und setze mich ins wartende Auto (Chiptuning, 18Liter auf 100km). In meiner Jacke ertaste ich die Liftkarte, die ich hätte zurückbringen müssen. Mist. Dann muss ich nächste Saison wohl wieder kommen. Lächelnd schaue ich aus dem Fenster. ‚Das wird gut‘, denke ich. Und: ‚Bis bald, Doris‘.