Jetzt wird es ernst. Das erste Mal das Packraft zu Wasser gelassen, die erste Jungfernfahrt. Die heiße Phase bringt ein Gefühl mit, das Kilian und Roman während der Vorbereitungszeit etwas verdrängt hatten: Muffensausen! In Bikerafting Jakutien erzählen die beiden von ihrer Radreise Russland.
Schönes Wort eigentlich, aber es wird nicht besser wenn das passiert:
„Ihr spinnt doch!“, „Yakutien – Wo liegt denn das überhaupt?“, „Das ist bestimmt gefährlich, oder?“, „Gibt’s da Bären?“, „Wie macht ihr dass den mit dem Essen?“.
Mit ebensolchen Fragen werden wir derzeit nicht nur von unseren Familien und Freunden überschütten, es gibt auch noch ebenso viele in uns selbst. Ein Jahr Planung kanalisiert sich und in gut zwei Wochen geht’s los. Das ’grande finale’ sozusagen. Ohne Feuerwerk.
Das gibt’s erst, wenn wir heil zurück kommen. Und Bäder in Schampus. Und fettige Käsepizzen. Gemischt ist die derzeitige Vorfreude aber auch mit einem mulmigen Bauchgefühl. Ich denke, man kann eine Reise in der Größenordnung nur zu 50 oder 60% durchplanen. Die restlichen Prozente werden verwaltet von: Wetter, technischen Problemen, körperliche Gebrechen, Bären etc..
Es ist das technische K.O. wie beim Boxen, auf dass man selbst wenig Einfluss hat.
Bikerafting Jakutien: How to pack your bike!
Wir versuchen natürlich die Chancen für ein technisches K.O. zu minimieren. Haben dafür gutes und geeignetes Material von unseren Sponsoren bekommen. Aber, haben wir wirklich an alles gedacht? Wer sich übrigens einen kleinen Überblick über unsere Räder gönnen will, ist mit diesem Youtube Video gut bedient:
Weiter mit den Fragen: Spielt das Wetter überhaupt mit? Derzeit scheint es vor Ort etwas durchwachsen zu sein.
Weiter gehen die Fragen mit: können wir an der Goldmine vorbei fahren? Ist die Straße passierbar? Was nach tagelangen Regenfällen nicht oft der Fall ist. Lässt der Fluss eine Befahrung zu und ist der nicht zu gefährlich? Achso – und kommen wir überhaupt zurück? Dass scheint momentan ein größeres Problem darzustellen, nachdem die Airline unsere Flüge falsch verbucht hat. Dann würden wir wohl stinkend und seit fünf Wochen ungeduscht in Moskau am Flughafen abhängen.
Hat jemand „The Terminal“ gesehen, wo Tom Hanks im JFK Airport gestrandet ist? Same, same but different.
Bikerafting Jakutien: Masterplan dank Excel-Tabelle?
Mit einigen Excel Tabellen haben wir auf den Tag genau kalkuliert, wann wir wo sein sollten um die Route zu schaffen. Schnell geht der Plan kaputt, wenn uns äußere Umstände vom Weiterkommen abhalten. Aber auch die Motivation wird entscheidend sein. Roman sagte neulich in einem Gespräch über das Scheitern, dass er uns eine 50/50 Chance gibt, die Route in der vorgegebenen Zeit zu schaffen. Ich selbst hätte es eher auf 60/40 oder 70/30 geschätzt.
Unabhängig von der eigenen Einschätzung müssen wir in entscheidenden Situationen gemeinsam überlegen, ob es weiter geht, oder wir aufgeben. Eine Trennung, wie wir es mal in Tadschikistan angedacht hatten, wird es in Sibirien nicht geben. Es ist in der Einsamkeit zu gefährlich. Außerdem macht man die Reise ja gemeinsam.
Wer weiterhin Spaß an Zahlen hat: Voraussichtlich werden wir 6.000 bis 10.000 Kilokalorien täglich verbrauchen. 2000 davon braucht der erwachsene Mann alleine um zu existieren. Der Rest wird beim Fahrrad bzw. Boot fahren verbraucht. Schwitzen, frieren, schieben, paddeln, fluchen. Alles kostet Energie. Wir können allerdings niemals genug Lebensmittel auf dem Rad transportieren um den täglichen Bedarf vollständig zu decken. Alle Lebensmittel sind daher reduziert: Frühstück auf ca. 400kcal, das Mittagessen auf etwa 300 und die einzige warme Mahlzeit, das Abendessen auch auf etwa 400kcal. Das klingt verdammt wenig. Ist es auch. Zwischendurch gönnen wir uns Mousse Chocolate aus der Tüte oder eine Extraportion russische Nudeln. Die fand ich ja in Tadschikistan schon furchtbar, als man das Kilo Pasta in den Topf warf und danach als eine einzelne verklebte Nudel heraus kam. Kulinarisch wird das jedenfalls kein Highlight.
Um vorzubeugen, dass wir nicht komplett aushungern, versuchen wir derzeit noch möglichst viele Kalorien zu konsumieren. Also als Vorratsspeicher.Viel Fett und Kohlenhydrate stehen auf demSpeiseplan. Als Snack mal eine ganze Tafel Schokolade oder ein paar Löffel Erdnussbutter. Und zu Kuchen sagt man auch ungern Nein.
Außerdem möchten wir natürlich an den Flüssen angeln, um das Abendessen etwas aufzuwerten. So eine frische Forelle mit Salbeibutter und Kartoffel? Leider gibt’s darauf aber keine Garantie. Wie in einem der ersten Blogeinträge beschrieben, haben wir beide während der 4-wöchigen Radtour in Tajikistan beide etwa 7kg verloren. Und dass obwohl wir nicht immer abgeschieden waren und gelegentlich lokale Lebensmittel kaufen konnten. Wir wurden oft zu Chai und selbstgebackenem Brot eingeladen. Ich weiß nicht, ob es euch auch manchmal so geht, aber oft bleibt das Hungergefühl nach anstrengenden Tagen auch aus und man muss sich selbst zwingen zu essen.
Mit täglichen Jour fixe Telefonaten organisieren wir derzeit noch ein Satellitentelefon, fehlendes Kamerazubehör, funktionierende GPS Karten und den ganzen Kleinkram.Einen Überblick über unsere Sicherheitsausrüstung kommt übrigens im nächsten Blogeintrag. Auch Fotos und Film vom Boot mit Bike beladen auf dem Wasser. Seid gespannt.
Cheers
kilian
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